Grenzgänger: Eine Bewilligung mit Sonderauflagen

Ob bei Basel, am Bodensee, in Genf oder im Tessin – täglich pendeln tausende Menschen aus dem Ausland in die Schweiz zur Arbeit. Sie gelten als Grenzgänger:innen – mit einem Berufsalltag über Landesgrenzen hinweg. Doch so klar der Arbeitsweg scheint, so komplex sind die Regelungen rund um Steuern und Sozialversicherungen. Dieser Artikel bietet einen kompakten Überblick über wichtige Punkte, die Arbeitgeber:innen in diesem Zusammenhang beachten sollten.

Autor
Anna Wiesian
Anna ist Co-Founder von Paymira. Die langjährige Payroll-Expertin schreibt hier regemässig über Wissenswertes rund um Payroll und HR.
Publiziert
14/4/2025

Grenzgänger:innen auf einen Blick – so funktioniert’s

Grenzgänger:innen wohnen im Ausland und arbeiten in der Schweiz – kehren aber mindestens einmal pro Woche an ihren Wohnort zurück. Möglich macht dies das Freizügigkeitsabkommen (FZA) zwischen der Schweiz und der EU: Es erlaubt Bürger:innen aus allen EU-/EFTA-Staaten, in der Schweiz zu arbeiten, ohne dort wohnhaft zu sein.

Der grosse Vorteil: Grenzzonen gibt es nicht mehr. Man kann in jedem EU-/EFTA-Staat wohnen und in jedem Schweizer Kanton arbeiten – solange die wöchentliche Rückkehr ins Ausland sichergestellt ist.

Wer diese Voraussetzungen erfüllt, kann eine Grenzgängerbewilligung (Ausweis G) beantragen. Zuständig ist immer der Kanton des Arbeitsortes. Wichtig: Die G-Bewilligung ist immer an einen bestimmten Arbeitgeber gebunden – bei einem Stellenwechsel braucht es also jeweils eine neue Bewilligung.

Die G-Bewilligung ist in der Regel fünf Jahre gültig, wenn der Arbeitsvertrag unbefristet oder auf mehr als ein Jahr ausgelegt ist. Bei kürzeren Anstellungen (über drei Monate, aber unter einem Jahr) richtet sich die Gültigkeit nach der Vertragsdauer. Für Einsätze unter drei Monaten ist das Online-Meldeverfahren anzuwenden.

Auch möglich – aber nicht ganz einfach: Grenzgänger aus Drittstaaten

Auch Personen, die weder aus einem EU- noch aus einem EFTA-Staat stammen, können unter bestimmten Voraussetzungen als Grenzgänger:innen in der Schweiz arbeiten. Voraussetzung ist, dass sie in einem Nachbarstaat der Schweiz wohnen, dort ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht besitzen und seit mindestens sechs Monaten in der definierten Grenzzone leben. Diese Zonen sind in den bilateralen Abkommen mit den jeweiligen Nachbarländern geregelt.

Wie bei EU-/EFTA-Grenzgänger:innen gilt auch hier: Die Rückkehr an den Wohnsitz mindestens einmal pro Woche ist Pflicht.

Zusätzlich müssen die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein – insbesondere der Nachweis, dass keine geeignete Arbeitskraft aus der Schweiz oder dem EU-/EFTA-Raum verfügbar ist. Die erste Grenzgängerbewilligung wird in der Regel für ein Jahr ausgestellt und ist auf den Kanton des Arbeitsorts beschränkt.

Die Thematik der Grenzgängerschaft ist komplex – nicht nur bei Drittstaatsangehörigen. Rechtliche Grundlagen, Sonderregelungen und praktische Umsetzungen unterscheiden sich je nach Herkunftsland erheblich.

Aus Gründen der Übersichtlichkeit konzentrieren wir uns im weiteren Verlauf dieses Artikels auf Grenzgänger:innen mit Wohnsitz in Deutschland. Sollten Sie Mitarbeitende aus anderen Ländern beschäftigen, empfehlen wir, die konkrete Situation individuell durch eine Fachperson abklären zu lassen.

Weiter geht’s mit den Grenzgänger:innen aus Deutschland:

Steuern im Griff: Was bei Grenzgänger:innen zu beachten ist 

Bei der Besteuerung von Grenzgänger:innen ist nicht das Freizügigkeitsabkommen, sondern das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen der Schweiz und dem jeweiligen Wohnsitzstaat entscheidend. Das DBA regelt, welcher Staat das Besteuerungsrecht hat – und wie eine Doppelbesteuerung vermieden wird.

Mitarbeitende, die in der Schweiz arbeiten, aber nicht ordentlich steuerpflichtig sind, unterliegen in der Regel der Quellenbesteuerung: Die Steuer wird direkt vom Lohn abgezogen und vom Arbeitgeber an das Steueramt überwiesen.

Für Grenzgänger:innen unterscheidet das DBA zwei Kategorien: Echte Grenzgänger:innen und Wochenaufenthalter:innen (umgangssprachlich: „unechte Grenzgänger:innen“). Diese Unterscheidung beeinflusst sowohl die Höhe der Quellensteuer in der Schweiz als auch die Besteuerung in Deutschland.

Echte Grenzgänger:innen kehren grundsätzlich täglich an ihren Wohnsitz im Ausland zurück und verbringen im Kalenderjahr höchstens 60 Nächte in der Schweiz (Nichtrückkehrtage). Wird diese Bedingung eingehalten, gelten sie steuerlich als echte Grenzgänger:innen. In diesen Fällen wird der Lohn in der Schweiz mit einem pauschalen Quellensteuersatz von 4,5 % auf dem steuerpflichtigen Bruttolohn besteuert.

In der Praxis taucht immer wieder die Annahme auf, dass hier ein Wahlrecht besteht – dem ist nicht so. Wer die Voraussetzungen erfüllt, muss als echter Grenzgänger eingestuft werden und wird entsprechend pauschal besteuert.

Die Kriterien sind in der Konsultationsvereinbarung vom 12.10.2018 zwischen der Schweiz und Deutschland festgelegt. Als echter Grenzgänger gilt, wer:

  • einen Schweizer Arbeitsort hat, der maximal 100 km vom Wohnort in Deutschland entfernt ist (kürzeste Strecke mit dem Auto)

oder

  • eine Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln unter 1,5 Stunden pro Weg hat.

Zusätzlich ist eine Ansässigkeitsbescheinigung vom deutschen Finanzamt erforderlich: GRE-1 bei Erstanmeldung, GRE-2 bei Verlängerung.

Die Besteuerung läuft dann wie folgt: Die Schweiz erhebt monatlich 4,5 % Quellensteuer, die direkt vom Lohn abgezogen wird. Zu Beginn des Folgejahres stellt der Arbeitgeber einen Lohnausweis aus, in dem der Bruttolohn und die einbehaltene Steuer für das vergangene Jahr aufgeführt sind. In Deutschland wird anschliessend das gesamte Welteinkommen – inklusive des Schweizer Lohns – versteuert. Die bereits in der Schweiz gezahlte Quellensteuer wird dabei auf die deutsche Steuerlast angerechnet.

Die deutschen Finanzämter präferieren dies. Daher Vorsicht bei “Schein-Grenzgängerschaft”.

Wochenaufenthalter:innen – also sogenannte „unechte Grenzgänger:innen“ – werden im Unterschied zu echten Grenzgänger:innen nach dem ordentlichen Quellensteuertarif besteuert. Das heisst: Der Steuersatz richtet sich progressiv nach dem Bruttolohn – je höher das Einkommen, desto höher der Steuersatz.

Anders als bei echten Grenzgänger:innen wird der gesamte Schweizer Lohn in der Schweiz versteuert. In Deutschland werden lediglich die dort erzielten Einkünfte besteuert. Der Schweizer Lohn fliesst aber in die Berechnung des deutschen Steuersatzes ein (sogenannter Progressionsvorbehalt), beeinflusst also indirekt die Steuerhöhe.

Ein Arbeitsplatz, zwei Länder – eine Sozialversicherung

Bei der Sozialversicherung gilt: Grenzgänger:innen unterstehen grundsätzlich dem Sozialversicherungsrecht des Landes, in dem sie arbeiten. Wer also in der Schweiz arbeitet, ist in der Regel auch in der Schweiz sozialversichert – unabhängig vom Wohnsitz im Ausland. Seit Einführung des EU-/EFTA-Rahmenvereinbarung zur grenzüberschreitenden Telearbeit dürfen Grenzgänger:innen bis zu 49,9 % ihrer Arbeitszeit im Homeoffice im Wohnstaat leisten, ohne dass sich die Sozialversicherungspflicht ändert. Erst ab einem Anteil von 50 % oder mehr wird das Wohnsitzland sozialversicherungsrechtlich zuständig.

Für Arbeitgeber:innen heisst das: Homeoffice ist grundsätzlich möglich, sofern die Aufteilung der Arbeitszeit klar geregelt, dokumentiert und nachvollziehbar ist. Liegt der Homeoffice-Anteil unter 50 %, kann zur Absicherung eine A1-Bescheinigung beantragt werden, die den Verbleib in der Schweizer Sozialversicherung bestätigt.

Diese Regelung gilt nicht nur für klassische Grenzgänger:innen, sondern für alle grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnisse innerhalb der EU-/EFTA-Staaten – unabhängig davon, ob täglich gependelt wird oder nicht.

In der Praxis liegt der Fokus oft auf der Beitragspflicht – also der Frage, wohin die Sozialversicherungsbeiträge fliessen. Mindestens genauso wichtig ist jedoch die Leistungsseite: Stellt sich im Schadenfall (z. B. bei Krankheit oder Unfall) heraus, dass eigentlich ein anderes Land zuständig gewesen wäre, kann die Versicherung die Leistung verweigern. Das kann zu empfindlichen Lücken für die betroffene Person – und unter Umständen auch zu Haftungsfragen für den Arbeitgeber – führen.

Ein weiterer Punkt betrifft Mitarbeitende mit zusätzlicher unselbstständiger Beschäftigung in einem anderen EU-/EFTA-Land. In solchen Fällen muss geprüft werden, ob die Schweiz weiterhin zuständig bleibt oder ein anderer Staat. Denn innerhalb der EU-/EFTA-Zone gilt: Nur ein Land darf die Sozialversicherungspflicht festlegen. 

Solche Konstellationen lassen sich mit zwei beteiligten Ländern meist noch gut klären. Sobald jedoch drei oder mehr Staaten involviert sind, wird es deutlich komplexer. Eine genaue Abklärung – idealerweise frühzeitig und in Zusammenarbeit mit der zuständigen Ausgleichskasse – ist dann unverzichtbar, etwa mithilfe einer A1-Zuständigkeitsklärung.

Fazit: Gut informiert, gut unterwegs

Grenzgänger:innen bewegen sich beruflich über Grenzen hinweg – und genau das macht vieles möglich, aber auch manches komplexer. Ob es um die richtige Besteuerung oder die korrekte Sozialversicherung geht: Klarheit schafft Sicherheit – für Unternehmen wie für Mitarbeitende.

Wer frühzeitig prüft, sauber dokumentiert und bei Unsicherheiten fachliche Unterstützung beizieht, ist auf der sicheren Seite. Und keine Sorge: Mit dem richtigen Wissen lässt sich auch über Landesgrenzen hinweg ganz entspannt zusammenarbeiten.

Downloads

Ähnliche Artikel

Payroll Outsourcing liegt im Trend
Die Auslagerung der Lohnbuchhaltung wird für Unternehmen weltweit immer attraktiver. Doch was steckt hinter diesem Trend, und warum entscheiden sich immer mehr Firmen dafür, ihre Payroll-Prozesse in die Hände externer Dienstleister zu geben? Die Antworten darauf sind vielseitig und eng mit den aktuellen Herausforderungen der Geschäftswelt verknüpft.
Weiterlesen
Obligatorische Sozialversicherungen in der Schweiz: Ein Überblick
Als Arbeitgeber:in in der Schweiz gibt es viele Themen, die den Arbeitsalltag bestimmen – eines davon sind die Sozialversicherungen. Sie bilden das Rückgrat des Schweizer Sozialsystems und sorgen für Sicherheit in unterschiedlichsten Lebenslagen. Für Arbeitgeber:innen sind sie weit mehr als nur eine gesetzliche Vorgabe – sie sind ein entscheidender Faktor für Fairness und Transparenz im Arbeitsverhältnis.
Weiterlesen
Weshalb es Zeit ist für eine neue Payroll Experience
Payroll ist kaputt. Klingt übertrieben? Leider nein. Während nahezu jede Branche von Innovationen überrollt wird, bleibt der Bereich der Lohnabrechnung sträflich vernachlässigt. Die Folge: Hohe Kosten, Chaos und Frustration, insbesondere für mittelgrosse KMU.
Weiterlesen